Page 30 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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Ein sprechendes Beispiel für diese Wechseldurchdringung traditioneller
               und technologischer Instanzen der Kanonbildung bildete die Freischaltung
               eines Goetheportals im Rahmen der Google-Buchsuche zur Frankfurter
               Buchmesse im Jahr 2007. Dabei stützte sich der Repräsentant der modernen
               globalen Wissensgesellschaft und einer der wertvollsten Marken der Welt auf
               die Mitarbeit professioneller Goethephilologen, um bestimmte Qualitätsstan-
               dards im Prozess der technischen Kanonisierung zu sichern. Ganz offenkundig
               ist diese Initiative ein Beleg dafür, in wie weit selbst kommerzielle Vorreiter
               der Such- und Volltexttechnologie letztlich auf die kulturelle Reputation bzw.
               den wissenschaftlichen Wert der bereitgestellten Inhalte und Informationen
               angewiesen sind. Auch die avancierteste Suchtechnik lebt von klassischer und
               (nach Alfred K. Treml) »einflussreicher« Semantik. »Google goes Goethe«
               – die Schlagzeile einer (kritischen) Pressestimme zur Google-Initiative mag
               die im Titel dieses Bandes gestellte Frage zumindest vorläufig beantworten
               (vgl. Leichter 2007; s. Bibliografie unter Punkt A.II.8.2).


                  Das elektronische Zeitalter hat die Kanonbildungen der analogen Buch-
               und Wissenswelt verstärkt, in Einzelaspekten auch modifiziert und in ihnen
               möglicherweise auch die biologischen Grundlagen des kulturellen Gedächt-
               nisses aktualisiert. Die ›Revolution‹ ist eine Evolution, und die Kultur kehrt
               zurück – zur Natur.



                                     Hinweise für den Leser


                  Der folgende Hauptteil gliedert sich alphabetisch nach Stichwörtern von
               A wie ›Autorenkanon‹ bis Z wie ›Zwillingsmetapher‹. Darunter befinden
               sich Ausführungen zu Begriffen wie Exokanonisierung, Goetheismus oder
               Klassikermacher, die mit dem Verweis auf die dabei zugrunde liegenden For-
               schungen des Verfassers erstmals einschlägig definiert werden. Zur korrekten
               Referenzierung sei auf den Innentitel des vorliegenden Bandes verwiesen.
               Verweise auf parallele oder weiterführende Begriffe erfolgt durch das Pfeil-
               symbol (→Stichwort). Der seltene Doppelpfeil verweist auf einen Gegenbegriff
               oder Antonym (↔Stichwort). Die in den Wort- und Begriffserläuterungen
               ausführlicher gewürdigten oder zitierten Forschungsbeiträge werden in der
               Regel auch dort nachgewiesen. Weitere Quellen und Literatur erscheinen in
               ihrer siglierten Kurzform, gegebenenfalls unter Verweis auf ihren Ort inner-



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