Page 13 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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repräsentiert  damit  einen  einzigarten  Glücksfall  der  neueren

                        deutschen  Literatur-  und  Theatergeschichte:  Als  unermüdlicher
                        Bühnenautor vermochte er die Paraderollen seiner Stücke selbst auf
                        den  Brettern  eines  Theaters  zu  verkörpern,  das  von  ihm  zugleich
                        auch  noch  als  Intendant  geleitet  wurde!  Und  dies  auch  noch  in
                        überaus  populärer  und    nach  heutigen  Maßstäben    womöglich
                        geradezu massentauglicher Weise.
                           Als  Ifflands  wohl  berühmteste  Rolle  gilt  die  Verkörperung  der

                        Figur  des  Franz  Moor  aus  Schillers  Die  Räuber  aus  der  Mann-
                        heimer Zeit. Dies spiegelt allerdings lediglich seinen Nachruhm im
                        Spiegel der Rezeption des 19. Jahrhunderts. Und die blieb bekannt-
                        lich  auf  die  Theaterproduktionen  der  Hochklassiker  fixiert.  Bei
                        seinem  Publikum  am  beliebtesten  war  Iffland  in  den  rührend-
                        komischen  Rollen  der  bürgerlichen  Unterhaltungsdramen  jener
                        Zeit, die gerade nicht klassisch geworden sind, darunter vor allem
                        Paraderollen aus den von ihm selbst verfassten Erfolgsstücken. Als
                        letzte  überlieferte  Rolle  Ifflands  gilt  ausgerechnet  eine  stumme

                        Darstellung  Friedrichs  des  Großen,  und  zwar  im  Rahmen  der
                        Aufführung  eines  selbst  verfassten  kürzeren  Theatertextes  aus
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                        seinem letzten Lebensjahr 1814.
                           Die  ›Schlager‹  unter  Ifflands  Stücken  waren  Erfolgstexte  mit
                        Titeln wie Die Jäger (1785) oder Verbrechen aus Ehrsucht (1787).
                        Diese Stücke nannten sich zumeist »Lustspiele«. Dabei waren sie
                        gar keine Komödien im engeren Wortsinne. Vielmehr behandelten

                        sie  familiäre  und  gesellschaftliche  Konflikte  der  bürgerlichen


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                           »Diese  bedenkliche  Lage,  worin  er  sich  in  Hinsicht  seiner  Gesundheit
                           befand und die er keinesweges verkannte, verhinderte ihn jedoch nicht, noch
                           immer  thätig  zu  seyn.  Er  schrieb  bei  Gelegenheit  der  Rückkehr  der
                           königlichen  Familie  ein  kleines  Stück  ‒  Liebe  und  Wille,  ‒  so  wie  noch
                           späterhin den Prolog zur Ankfurt Ihro Majestät der Kaiserin von Rußland
                           [Elisabeth Alexejewna, geb. Luise Marie Auguste von Baden; Anm. R. C.].
                           Am  Ende  dieses  Prologs  öffneten  sich  die  Wolken  im  Hintergrund  des
                           Theaters; man sah eine schöne Gegend mit den Büsten Friedrich Wilhelms
                           und Alexanders, über welche Friedrich der Große und Catharina die Große
                           ihre Hände segnend emporhoben. In diesem Prolog übernahm er es noch,
                           den großen Friedrich darzustellen und betrat zum letztenmale in dieser die
                           höchste Ehrfurcht gebietenden Gestalt die Bühne am 23sten Januar 1814.«
                           (Johann Ludwig Formey: A. W. Ifflandʼs Krankheitsgeschichte, Berlin 1814,
                           S. 34f. ‒ Hervorhebungen original)






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