Page 85 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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I unersetzliches Übel] Mit diesem Ausdruck bezieht sich Goethe auf
die Wirren der Revolutionskriege, die den Südwesten Deuschlands
erfassten. Der Spielbetrieb am Mannheimer Theater ging allen
Widrigkeiten zum Trotz dennoch seinen Gang. In seinem
Antwortbrief vom 5. Dezember 1795 wird Iffland deshalb vor-
schlagen, das geplante Gastspiel in Weimar aufzuschieben (vgl.
Briefe an Goethe, Bd. 1, S. 444; Regest-Nr. 1503). Mit dem Aus-
druck »unersetzliches Übel« bedient sich der gelernte Jurist Goethe
wie so oft in seinen nichtamtlichen Briefen einer juristischen
Nuance. »Unersetzlich« meint demnach so viel wie ›unabwendbar,
notwendig, zwangsläufig‹ und zwar im Unterschied zum rechts-
sprachlichen Antonym »ersetzlich« (im Sinne von ›abwendbar, ver-
meidbar‹): »Verbrechen aus Mitleid und Ehrgefül sind straflos:
wenn dadurch auf ersetzbare Weise ein dringendes unersetzliches
Uebel abgewendet wird, welches man nicht veranlaßt hat.« (Hans
Ernst von Globig: System einer vollständigen Gesetzgebung für die
Kaiserl. Russ. Gesetz-Commission. Zweite Auflage mit Bezug auf
die neuesten Gesetzgebungen. Erster Theil: Criminal-Codex.
Dresden 1815, S. 18f., hier insbes. S. 19)
II wird uns kein kleiner Gewinst] Die Aussage bezieht sich auf die
Tatsache, dass der Theaterbetrieb in Mannheim trotz der Einquar-
tierungen durch die französischen Truppen weiterging, so dass man
sich in Weimar berechtigte Hoffnungen machen konnte, aus diesem
− mit unausweichlichen Übeln verbundenen Zustand einen
Gewinn zu ziehen, wenn Iffland zu einem Gastspiel nach Weimar
käme. Goethe verwendet die doppelte Negation. Diese Ausdrucks-
weise zeugt von der enormen Wertschätzung, die Iffland hier
bereits im Anfangsstadium seiner Beziehung zu Goethe entgegen-
schlägt. Das Wort »Gewin(n)st« ist bei Adelung noch als eigenes
Wort bestimmt: »1) Dasjenige, was man im Handel und Wandel als
Überschuß über seinen Aufwand bekommt; ohne Plural. […] 2)
Was man in jeder Art von Wettstreite gewinnet oder gewinnen
kann. […] In welcher Bedeutung Gewinst üblicher ist als Gewinn.
3) Was man im Spiele gewinnet, ohne Plural.« (Johann Christoph
Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen
Mundart, Bd. 2, 1796, Sp. 666).
III Douceur] Das Wort bedeutet: auch nichtmonetäre, zu einer finan-
ziellen Entlohnung hinzutretende zusätzliche Gratifikation, kleinere
Prämie oder Trinkgeld. Die Verwendung des Wortes spiegelt die
materielle Lage des Schauspielerstandes in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts: »Schauspieler zählten als fahrendes Volk finan-
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