Page 86 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
P. 86

ziell  und  sozial  zu  den  untersten  Gesellschaftsschichten.  Es  gab
                                keine  Verträge;  der  Prinzipal  entlohnte  die  Mitglieder  aus  den
                                Tageserlösen.  Die  Miete  der  Schuppen,  in  denen  häufig  gespielt
                                werden  mußte,  wenn  man  auf  Messen  und  Jahrmärkten  auftrat,
                                hatte  er  als  Unternehmer  selbst  zu  erbringen.«  (Fischer-Dieskau:
                                Goethe als Intendant, 2006, S. 6). Goethe geht mit dieser Passage
                                geschickt  auf  eine  im  Vorfeld  geäußerte  fiinanzielle  Forderung
                                Ifflands ein.
                        IV      traurige  Lage]  Die  Rede  ist  von  den  Zerstörungen,  die  die
                                zeitweise  Besetzung  Mannheims  durch  die  Franzosen  mit  sich
                                brachte. Auch das öffentliche Leben und der Theaterbetrieb wurden
                                dadurch  massiv  beeinträchtigt.  Ein  Jahr  nach  Beginn  des  Ersten
                                Koalitionskrieges (1792-1797) vollzog sich in Frankreich die levée
                                en masse, d. h. die  militärische Einberufung großer Volksmassen
                                aus allen sozialen Schichten gegen einen Kriegsgegner von außen.
                                Als Vorläufer der modernen Wehrpflicht ermöglichte die levée den
                                Franzosen  die  Eroberung  von  Teilen  Süddeutschlands  und  die
                                Besetzung der linken Rheinseite. Erst nach dem Sonderfrieden von
                                Basel am 5. April 1795 konnten die französischen Truppen im Jahr
                                1796 erneut geschlagen und aus dem süddeutschen Raum zurück-
                                gedrängt  werden.  Das  linke  Rheinufer  blieb  jedoch  weiterhin  be-
                                setzt.
                        V       den Posert zu spielen] Bezieht sich auf die Figur des Hauptmanns
                                von  Posert  aus  Ifflands  Stück  Der  Spieler  (Leipzig  1796;
                                Erstaufführung im gleichen Jahr). Die Nebenfigur verkörpert einen
                                habgierigen  Spieler  und  schwadronierenden  Hochstapler.  ›Der
                                Posert‹  gehörte  zu  den  beliebten  Paraderollen,  die  Iffland  selbst
                                gerne  und  häufig  spielte.  Eine  Parallelfigur  aus  der  klassischen
                                Theaterliteratur  ist  die  Figur  des  Riccault  da  la  Marlinière  aus
                                Lessings Minna von Barnhelm.
                        VI      Bearbeitung  und  Aufführung  Egmonts]  Schiller  hatte  Goethes

                                Drama  Egmont  für  die  Bühne  bearbeitet  und  dabei  aus  seinem
                                besonderen  Geschichtsinteresse  heraus  in  die  Textgetalt
                                eingegriffen,  was  Goethe  als  einschneidend  empfand.  So  hatte
                                Schiller  bereits  im  Vorfeld  seinen  Freund  für  den  allzufreien
                                Umgang  mit  den  historischen  Fakten  bei  der  Ausgestaltung  des
                                Stoffes  kritisiert.  Die  Aufführung  der  Tragödie  mit  Iffland  bei
                                dessen erstem Gastspiel in Weimar im Frühjahr 1796 gilt als eine
                                derjenigen Inszenierungen, die das ›klassische‹ Jahrzehnt auf dem
                                Weimarer Theater einleitete. Goethe und Schiller arbeiteten für die
                                Weimarer Bühne weiterhin eng zusammen.








                                                             84
   81   82   83   84   85   86   87   88   89   90   91