Page 112 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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de Recitirung, vereiniget mit jenem berühmten Tragödien Schritt,
den Kothurn der französischen Bühne ausmachen. Ihre Sprache,
gleicht einer Grazie, welche über blumigte Wiesen hüpft, Sprache
und Sitten, sind aber in nothwendigem Verhältniß; nach der Wahr-
heit, von der Würkung der Kontraste, sollen daher die Franzosen
dieen erhöheten Kothurn auf ihrer Bühne haben.« (Fragmente über
Menschendarstellung 1785, I, 6, S. 66)
(b) »Der deutsche Schauspieler darf nichts von der Art des
französischen haben, dieser, nichts von jenem.
Die Franzosen geben Vorstellungen .
Die Deutschen, Darstellungen .
Ihre Gemälde der Leidenschaften, sind prächtig.
Unsere, wahr.
Pracht ist Tünche welche, die Häßlichkeit versteckt, verderbende
Leidenschaft ‒ zum schönen Fehler macht.
Wahrheit führet die Hand auf das Herz.«
(Fragmente über Menschendarstellung 1785, I, 6, S. 67)
8. Über die ›Flüchtigkeit‹ der Bühnenkunst
»Der Baumeister, der Bildhauer, der Mahler ‒ kann von seinem
Kunstwerke sagen: ›Dieß ist, und wird seyn!‹ Nicht so der Schau-
spieler. Nur das Aufgebot aller seiner Kraft gewährt seinem Kunst-
werke Vollendung. Jedes reißt ihn näher an das Grab. ‒ Das sagt
nach jeder Veranstaltung die keuchende Brust, seine klopfenden
Pulse und das erschütterte Nervensystem, ohne daß er sich rühmen
könnte: ›Dieß wird einst seyn!‹ Sein Kunstwerk geht dahin ‒ wie
das Lächeln über das Gesicht eines Menschen. Drum rede der
Freund und der Bewunderer des seltnen Talents ein dankbares
Wort von dem, was gewesen ist!« (›Meine theatralische Laufbahn‹,
Leipzig 1798, S. 173)
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