Page 117 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Zur Goethezeit befähigte der juristische Doktortitel zur Mitglied-
schaft im Lehrkörper und entsprach damit eher einer heutigen
Habilitation. In der akademischen Rangstufenfolge lag der Lizentiat
damit stgrenggenommen zwischen Bakkalaureat und Doktorat.
Allerdings bemerkte Goethe kurz nach seiner »Promotion« zum
Lizentiaten gegenüber seinem Straßburger Juristen-Freund und
Mentor Johann Daniel Salzmann: »[...] in Teutschland haben beide
›Gradus‹ gleichen Wehrt.« Im gleichen Brief, datiert auf Mitte
Dezember 1771, kommentiert der junge Goethe seine Ablehnung
des (leider nicht überlieferten) Angebots, an der juristischen
Fakultät in Straßburg zum Doktor der Rechte zu promovieren. Dies
sollte den standes- und rollenbewussten Erfolgsmenschen Goethe
jedoch keineswegs daran hindern, sich die pragmatische Gleich-
setzung von Lizenziat und Doktortitel zu Nutze zu machen.
Erst als Weimarer Minister erhielt der alte und weithin berühmte
Goethe zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum am 7. November
1825 den Ehrendoktor der philosophischen und medizinischen
Fakultät der Universität Jena verliehen. Irrigerweise nahm die
juristische Fakultät nämlich an, Goethe sei bereits 1771 in
Straßburg zum Doktor der Jurisprudenz (Dr. jur.) promoviert
worden. Nach den akademischen Regularien der damaligen Zeit
schloss dies ein Ehrendoktorat derselben Fakultät aus! In der älteren
Goethe-Forschung wurde Goethe daher gerne der doppelte Grad
Doctor philosophiae et medicinae honoris causa, Doktor der
Philosophie und der Medizin ehrenhalber (Dr. phil. et med. h. c.),
zugeschrieben. Allerdings ergab eine Überprüfung der Universitäts-
akten, in denen ein Abdruck des Ehrendiploms überliefert ist,
keinen Beleg dafür, dass mit der Jenaer Ehrung tatsächlich der
doppelte Ehrendoktor verbrieft werden sollte. Vielmehr heißt es im
lateinischen Wortlaut von Goethes Diplom hinsichtlich der Ehrung
durch die philosophische Fakultät, dass ihm lediglich »summos in
philosophia honores«, also »hohe Ehren auf dem Gebiete der
Philosophie« zuteil werden sollten. Aber die entscheidende Formel
»doctoris philosophiae honores [detulit]«, also die formelle
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