Page 115 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Dirigent


                        Zur Zeit Goethes noch eher im Sinne von ›Direktor‹ oder ›leitender
                        Beamter einer Einrichtung‹ verwendet und noch keinesfalls gleich-

                        zusetzen mit einem Musiker, der ein Orchester mit dem Taktstock
                        anleitet. Die historische Entsprechung für das, was wir heute unter
                        einem  Dirigenten  verstehen,  war  der  →Kapellmeister.  Aus
                        historischer Sicht ist dabei anzumerken: Die hervorgehobene Rolle
                        eines  ›Stardirigenten‹  oder  medial  omnipräsenten  ›Maestros‹,  wie

                        wir  sie  heute  aus  dem  globaliserten  Klassikbetrieb  der  großen
                        Weltklasse-Orchester  kennen,  gab  es  in  der  Musikwelt  der
                        Goethezeit  noch  nicht.  Auch  die  dirigierenden  Komponisten  und

                        Kapellmeister  der  musikalischen  Romantik  waren  noch  weit  vom
                        Ruhm  und  Rollenverständnis  eines  Herbert  von  Karajan  oder
                        Daniel Barenboim entfernt. Strenggenommen ist die Aura, die sich
                        für uns heute etwa mit dem Wort ›Chefdirigent‹ verbindet, erst ein

                        Produkt des 20. Jahrhunderts.


                                                        Doktortitel



                        Obwohl Goethe am 6. August 1771 an der juristischen Fakultät der
                        Universität  Straßburg  lediglich  den  Grad  eines  ›Licentiatus  iuris‹
                        erworben hatte und seine Eingaben als Rechtsanwalt in Frankfurt in
                        der  Regel  mit  entsprechenden  Abkürzungen  (»Lt.,  Lct.«  u.  ä.)

                        zeichnete,  ließ  er  sich  während  seiner  Frankfurter  und  Weimarer
                        Zeit gerne »Doktor Goethe«, in vertraulichen Briefen auch »Doktor
                        Wolf« nennen. Formal wurde der Titel dabei abgekürzt, und zwar
                        neben der Form »D[r].« auch »Dock./Dockt.« Im amtlich-formellen

                        Kontext üblich war zudem die Abkürzungsformel »J. U. D.«: Juris
                        utriusque  Doctor  (in  Anlehnung  an  die  für  Goethe  zutreffende
                        Titelbezeichnung  ›Iuris  Utriusque  Licentiatus‹:  Lizentiat  beider
                        Rechte; gemeint sind die beiden Rechtssysteme der vornapoleoni-

                        schen  Epoche,  das  weltlich-zivile  und  das  kirchlich-kanonische
                        Recht).










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