Page 120 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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bekannten  Oper.  Einen  wichtigen  Bestandteil  des  höfischen
                        Theaterbetriebs bildeten Veranstaltungen, bei denen Gelegenheits-
                        dichtungen zu Ehren hoher Adelsvertreter aufgeführt wurden. Die
                        Verfasser waren entweder eigens bestallte, meist bürgerliche Hof-

                        dichter. Oder die Aristrokraten griffen selber zu Feder. Diese Dia-
                        loge oder kurzen Stücke wurden in der Regel extra für einen Anlass
                        verfasst.  Diese  Form  der  Dichtung  zum  zeremoniellen  Gebrauch
                        wird  auch  als  Kasual-  oder  Okkasionaldichtung  bezeichnet.  Ihre

                        Blüte  trieb  sie  in  der  frühen  Neuzeit;  aber  auch  im  Zeitalter  der
                        Weimarer  Klassik  war  diese  Form  der  herrschaftlichen  Selbst-
                        inszenierung  noch  sehr  lebendig.  Ihren  festen  Ort  hatte  diese
                        Gelegenheitsdichtung bei Empfängen, Maskenbällen und Umzügen.

                        Hofdamen  und  Höflinge  schlüpften  dafür  selbst  in  Masken  und
                        Kostüme,  um  nach  festgeschriebenen  ›Drehbüchern‹  Geburtstage,
                        Jubiläen  oder  hochrangige  Besuche  zu  begehen.  Ursprung  dieses
                        höfischen Gelegenheitstheaters waren traditionelle Maskenbälle, die

                        man aufgrund des Französischen als etablierte Sprache bei Hofe als
                        ›Redouten‹  bezeichnete.  Solche  exklusiven  Bälle  boten  ein  Bild,
                        das  wohl  heute  noch  am  ehesten  mit  großen  Filmgalas  oder
                        Benefizveranstaltungen  mit  zahlreichen  Prominenten,  Stars  und

                        Sternchen  vergleichbar  erscheint:  Berühmte  und  hochrangige
                        Standesvetreter  einer  Gesellschaft  zelebrieren  einen  feierlichen
                        Anlass  öffentlich  in  großer  Robe  und  auffälliger  ›Verkleidung‹!
                        Solche Veranstaltungen bildeten eine feste Größe im Jahreskalender

                        einer  jeden  Hofhaltung,  die  etwas  auf  sich  hielt.  Dieser  perfor-
                        mative  Zug  der  europäischen  Hofkultur  ist  heute  weitgehend
                        vergessen. Für das Verständnis des Theaterlebens jener Zeit ist er

                        aber von großer Bedeutung.


                                                         Intendant


                        Der  Amtstitel  konnte  zur  Zeit  Goethes  auch  soviel  bedeuten  wie

                        ›Oberaufseher‹  oder  ›hoher  Verwaltungsbeamter‹.  Als  Intendant
                        galt  beispielsweise  auch  der  Direktor  eines  naturkundlichen
                        Museums. Das Wort wurde daher noch nicht ausschließlich in der








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