Page 125 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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penibel  angeleitet  hatte.  Tatsächlich  sind  Anekdoten  über  den
                        großen  Dichterfürsten überliefert, die glaubwürdig berichten,  dass
                        Goethe bei seinen Proben für das  wohlgemerkt  Sprechtheater
                        wie  ein  »Kapellmeister«  mit  einer  Dirigierhilfe  in  der  Hand

                        aufgetreten sei. Pedantisch habe er sein Ensemble in der Art eines
                        Dirigenten  geschulmeistert, um  jede  gesprochene  Silbe  und  jeden
                        Schritt auf der Bühne präzise nach seinen Vorstellungen zu formen.
                        Zu  einer  autonomen  Betätigung  mit  eigenem  künstlerischem

                        Anspruch wird das Regiefach frühestens in der Mitte des 19. Jahr-
                        hunderts.



                                                         Operette



                        Das Wort war bereits Ende des 18. Jahrhundets üblich, wurde im
                        Deutschen allerdings noch eher in der Art eines Fremdwortes nach
                        der italienischen Verkleinerungsform operette verwendet, und zwar
                        zunächst im engeren Sinne von ›kleines Singspiel‹ (in französischer

                        oder italienischer Sprache). Das deutsche Wort ›Singspiel‹ meinte
                        dagegen ein kleineres Stück Musiktheater, das auf einem deutsch-
                        sprachigen Libretto beruhte. Vom Inhalt bevorzugte das Singspiel
                        eher  komische  und  volkstümliche  Stoffe.  Entscheidend  war  die

                        Verwendung der deutschen Sprache; es konnte sich dabei entweder
                        um  einen  deutschen  Originaltext  oder  um  die  Bearbeitung  einer
                        fremdsprachigen Vorlage handeln.



                                                  Prinzipal, Prinzipalin



                        Die Theaterprinzipale jener Zeit waren mehr als die moderne Vor-
                        stellung eines Intendanten oder Generaldirektors nahelegt. Sie ver-
                        körperten die unangefochtenen Oberhäupter einer ganzen Theater-

                        familie von  Bühnenangehörigen,  die  als  fahrende  Truppe  auf Ge-
                        deih und Verderb auf ihren Patriarchen angewiesen war. Denn es
                        existierten ja in der Regel noch keine garantierten Engagements auf
                        Lebenszeit  mit  einer  kontinuierlichen  Bezahlung  oder  gar  Alters-

                        versorgung. Zudem musste der Prinzipal ein wahres Allroundtalent






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