Page 124 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Grunde nur noch so viel wie ›(Spielstätte für) Theater in deutscher
                        Sprache‹.


                                                        Regisseur


                        Im  heutigen  Sinne gab  es das  Wort  noch  nicht, Iffland spricht  in

                        diesem Zusammenhang beispielsweise von »Direkteur« (Fragmente
                        über  Menschendarstellung,  Leipzig  1785,  I, S. 37). Da Iffland so
                        gut wie sämtliche Rollen innerhalb seines Theaterbetriebes auf sich
                        vereinte, erscheint diese  Zuordnung zutreffend. Die maßgeblichen
                        künstlerischen  Entscheidungen  wurden  aber  auch  bei  anderen

                        Theaterformen  in  der  Regel  vom  Prinzipal  oder  Leiter  getroffen.
                        Prinzipiell galt dies für feste Hof-, Residenz- oder Nationaltheater
                        gleichermaßen wie für fahrende Schauspielergesellschaften.
                           Die Funktion, die wir heute mit einem  ›Regisseur‹ bezeichnen,

                        war  daher  zu  Goethes  und  Ifflands  Zeiten  eher  die  eines  Büh-
                        nenleiters,  dem  vor  allem  die  organisatorische  Leitung  und  tech-
                        nische  Aufsicht  der  Theaterproben  oblag.  Dieser  rekrutierte  sich
                        zumeist  aus  dem  Kreise  der  Schauspieler.  Da  der  Probenbetrieb

                        auch damals bereits das Kerngeschäft jeder Theaterarbeit darstellte,
                        folgten diese regieführenden Schauspieler in Weimar einem genau
                        festgelegten Wochenplan. Man nannte sie deshalb »Wöchner«. Mit
                        der freien Arbeit eines modernen Starregisseurs war diese Tätigkeit

                        kaum zu vergleichen. Dennoch hatte Goethe mit der Art und Weise,
                        wie er seine Schauspieler anleitete, durchaus seinen Anteil an der
                        Begründung  des  modernen  Berufsbildes.  So  war  Goethe  bestrebt,
                        von der Atmung und Rhythmik beim Sprechen bis zur Mimik und

                        Körperbewegung  beim  Agieren  auf  der  Bühne  alles  in  einem
                        strengen Regelwerk festzulegen. Der Weimarer Theaterstil glich so
                        eher einer teilweise quasi musikalisch rhythmisierten Choreografie
                        und  hatte  mit  den  expressiven  Freiheiten  des  modernen  Regie-

                        theaters eher wenig gemein.
                           Anlässlich einer Theaterprobe während seiner frühen Weimarer
                        Zeit  notiert  Goethe  einmal  in  sein  Tagebuch,  dass  er  eine
                        Schauspielerin  »gekapellmeistert«  habe  (Eintrag  vom  15. Novem-

                        ber 1776). Goethe meinte damit, dass er die Dame bei einer Probe






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