Page 127 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Musiktheater im mitteleuropäischen Raum. Wandertruppen wie
diejenigen von →Bellomo, →Doebbelin, →Koch oder →Seyler
stemmten den Löwenanteil des zur Aufführung gebrachten
Repertoires jener Zeit. Dies galt schon deswegen, weil die
Schauspieler und Sänger dieser Wandertheater ihre schiere Existenz
aus den Erlösen an der Theaterkasse bestreiten mussten. Bekannte
Truppen wie die Bellomsche oder die Seyler-sche Theatertruppe
reisten von Hof zu Hof und von Stadt zu Stadt, um vor Ort für eine
bestimmte Zeit zu gastieren. Ihre Auftritte verbreiteten zahlreiche
Bühnenwerke und popularisierten Theater-stoffe der europäischen
Weltliteratur, insbesondere aus Frankreich und Italien. So umfasste
beispielsweise das Repertoire der Bellomo-schen Theatertruppe
viele übersetzte oder für die deutsche Bühne bearbeitete Fassungen
italienischer Opern und Operetten. Oftmals waren es die fahrenden
Truppen, die beliebte Werke der Opera buffa aus Italien nach Gotha
oder Weimar brachten, das deutsche Publikum damit begeisterten
und die heimischen Theatermacher nachhaltig beeinflussten. Auch
das deutsche Singspiel machte Bellomo in Weimar populär. Das
komische Treiben in sangbarem und gut verständlichem Opern-
deutsch fand großen Anklang. Obwohl Bellomo für innovative Im-
pulse sorgte, empfand Goethe wachsenden Unmut über die Arbeit
der Truppe. Seine Abneigung richtete sich sogar gegen Bellomo
und seine Frau persönlich, und er verlieh seinem Missfallen in ät-
zender Weise öffentlich Ausdruck. Schließlich versuchte Goethe
sogar, die Weiterverpflichtung Bello-mos und seiner Truppe zu ver-
hindern. Die Gründe sind schwer zu ermitteln. Neid, Missgunst und
Konkurrenzgefühle mögen eine Rolle gespielt haben, denn Goethe
wollte ja selbst als Mann des Theaters glänzen. Bellomos
Repertoire kam zudem gut an, Goethes Stücke spielten darin aber
kaum eine Rolle. Weimar wollte offenbar gar nicht so viel ›Goethe‹
(oder ›Schiller‹) sehen, wie es deren heutiger Kanonrang nahelegt.
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