Page 63 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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1. Goethe an Iffland
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I
»Aus dem großen und unersetzlichen Übel , das jene Gegenden
II
trifft, wird uns kein kleiner Gewinst, wenn Sie uns indessen besu-
chen und mit Ihrem Talent erfreuen wollen. In mehr als Einer
Rücksicht war mir Ihre Ankunft lange wünschenswerth. Die Kosten
Ihrer Reise und Ihres hiesigen Aufenthalts werden wir gerne tragen,
III
und außerdem soll es an einem anständigen Douceur nicht fehlen,
so daß Sie nicht unzufrieden von uns scheiden werden, wenn wir
gleich nicht glauben Ihr Verdienst nach Würden belohnen zu kön-
nen.
Auf eine längere Unterhaltung mit Ihnen über mancherley Ge-
genstände freue ich mich sehr und wünsche nur, daß Sie bey uns
einige Zeit die traurige Lage IV vergessen können in welcher Sie die
schönen und geliebten Gegenden verlassen.
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Weimar den 4. November 1795.«
[2]
»Unsere Hoffnung Sie hier zu sehen ist auf eine zu empfindliche
Weise getäuscht worden, als daß ich nicht wünschen sollte Sie
möchten, zu irgend einer andern Zeit, die Reise zu uns unter-
nehmen. Vor oder nach Ostern würde ein günstiger Zeitpunct seyn,
selbst wenn Sie in der Charwoche kämen, in welcher wir nicht
spielen, man könnte sich durch Proben auf die Osterfeyertage vor-
bereiten. Möchten Sie doch, wenn auch nur kurze Zeit, bey uns die
traurigen Scenen vergessen, von denen Sie nun schon so lange
Zeuge sind. Wollten Sie mir gelegentlich die Rollen nennen, in de-
nen Sie aufzutreten wünschen, so könnte ich, wenn sie noch nicht
einstudirt sind, darauf einige Vorbereitung machen. Ich wünsche
recht wohl zu leben.
80
W. d. 4. Jan. 1796.«
79 Weimarer Ausg., IV. Abt., Bd. 10, 1892, S. 325f. (Nr. 3227)
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