Page 93 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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leitet  sich  aus  dem  Mittelhochdeutschen  ab,  und  zwar  mhd.
                                durchliuhten  für  ›durchstrahlen‹,  in  Entsprechung  von  lat.
                                perillustris. Bei der Anrede mit ›Euer Durchlaucht‹ handelt es sich
                                (a) um eine plurale Anredeform, denn das adressierte Subjekt wird
                                ja  als  mehrere  (»Euer«)  angeprochen.  Außerdem  ist  die
                                Anredeform  (b)  indirekt,  denn  der  untergebene  Sprecher  bzw.
                                Schreiber bezieht sich nur mittelbar auf eine Rolleneigenschaft, ein
                                nominalisiertes  Attribut,  ein  Epitheton  des  Adressaten.  Das  sollte
                                einstmals signalisieren: Als gehorsamer Untertan wende ich mich
                                niemals  auf  unschickliche  Weise  direkt  an  einen  Vertreter  aus
                                fürstlichem Geblüt! Das Zugleich von Pluralität und Indirektheit ist
                                also konventionalisierter Ausdruck höchsten Respekts.
                        XXXVI    Judenbetrieb] Man beachte hierzu die zeitgenössische Valenz von

                                jüdisch (auch bildlich für: ›zudringlich‹) bzw. die Bedeutung von
                                judeln (bei Goethe als jüdeln) im Sinne von ›feilschen‹, ›schachern‹
                                (beides  belegt  in:  P. Fischer,  Goethe-Wortschatz,  1929,  S. 366).
                                Der Ausdruck ist damit leider wohl auch unverhohlen antisemitisch
                                und  zielt  auf  das  Gebaren  der  Schauspieler  bei  ihren  Vertrags-
                                verhandlungen, hier speziell aus der Sicht des Intendanten Iffland,
                                der natürlich auch die finanziellen Interessen des Theaterbetriebes
                                sowie das  Budget  für die Spielplangestaltung insgesamt im Auge
                                behalten  musste. Schauspielerinnen und Schauspieler der Goethe-
                                zeit  waren  gezwungen,  selbst  bei  Zugehörigkeit  zu  einem  festen
                                Ensemble nach Ablauf eines Engagements immer wieder neu über
                                ihre Entlohnung zu verhandeln. (Feste) Verträge im heutigen Sinne
                                gab es für die Masse des einfachen spielenden Volkes noch nicht.
                                Dies galt auch für die langfristige Verpflichtung am selben Haus.
                        XXXVII   Schauspieler  Bethmann]  Gemeint  ist  der  in  Berlin  tätige
                                Schauspieler Heinrich Eduard Bethmann.

                        XXXVIII  zwischen  Verstand    Sand  und  nur  Verstand]  Dieser  Ausdruck
                                bahnt  möglicherweise    in  Form  einer  inhaltlich  zunächst  nicht
                                weiter motivierten Assonanz  das ›Wüstenbild‹ im Gesamtkontext
                                des  Briefschlusses  an.  Iffland  meint  offenbar  die  landschaftlich
                                wenig  reizvolle  Mark  Brandenburg,  die  berüchtigte  ›Streusand-
                                büchse‹, ein Ausdruck, der historisch allerdings erst später belegt
                                ist (nach Geiger 1905a, S. 80).
                        XXXIX   Labetrunk  in  den  Steppen]  Iffland  vergleicht  seine  Hoffnung
                                darauf,  erneut  mit  Goethe  zusammenzuarbeiten,  etwas  pathetisch
                                mit  einem  »Labetrunk«,  der  ihm  als  einem  »in  den  Steppen«
                                Wandelnden  zuteil  werde.  Bemerkenswert  erscheint  hier  der  für
                                den  Adressaten  sehr  schmeichelhafte  Gegensatz  zwischen  der







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