Page 53 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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marer‹ Klassik, so muss man differenzieren. So zog Schiller erst im Jahr 1799
definitiv von Jena nach Weimar um (→Weimarer Klassik).
Der Dioskurentopos prägte die postume Rezeption der beiden Klassiker
maßgeblich. Im Bildprogramm mehrerer geplanter und realisierter Doppel-
standbilder blieb das Dioskurenmotiv bestimmend und sollte das Bild der
beiden Dichter und Denker im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verewi-
gen. Davon zeugen nicht nur die Entwürfe für ein Weimarer Goethe-Schiller-
Denkmal von Christian Daniel Rauch (1849) oder Ernst Rietschel (1852-57).
Auch Fritz Schaper griff für seinen Entwurf eines Doppelstandbilds beider
Dichter für Berlin auf das Bildprogramm der göttergleichen Dioskuren
im antikisierenden Gewand zurück (vgl. »Gipsentwurf zu einem Goethe-
Schiller-Denkmal, nicht datiert.« In: Fritz Schaper. Die Wiederentdeckung
des Denkmals, hg. von Uwe Hinkfoth. Katalogbuch. Goch 2000, S. 127, zu
Abb. Nr. 37, ebd., S. 49).
In der Denkmalsdiskussion des 19. Jahrhunderts standen selbst bekannte
Einzelbildnisse der Dichter in einem unabweisbar ›dioskurischen‹ Zusammen-
hang. So waren Johann Heinrich Danneckers Entwürfe zu einer kolossalen
Schillerbüste 1793-1805 zunächst als Komplement zu einer formverwandten
Goethebüste angelegt. Im Unterschied zu den bürgerlichen Standbildern
Schapers und Rietschels geschah dies allerdings noch als Überhöhung der
›Dichterhäupter‹, von denen lediglich der Schillerentwurf zur Ausführung kam.
Auch die hitzige Kontroverse um eine Ergänzung des Schiller-Denkmals von
Reinhold Begas auf dem Berliner Gendarmenmarkt illustriert das dioskurisch
inspirierte Klassikerbild jener Zeit:
»Der Autor Ferdinand Piper, selbst im Goethe-Komitee engagiert […] wirbt für
eine werkbezogene Würdigung des Weimarer Dichterfürsten, die es erlaubt, ihn
als großen nationalen Dichter zu ehren […]. Der Vorschlag der Goethe-Fraktion
löst heftige Kontroversen um ein mögliches Neben- und Miteinander der beiden
Statuen aus. Sie kreisten um die Frage, ob Schiller seine durch die Grundsteinlegung
[am 9. November 1859; Anm. R. C.] vorbestimmte herausgehobene Stellung auf
dem Gendarmenmarkt behält oder die Mittelachse des Theatervorplatzes räumt,
um so die Ebenbürtigkeit der Dichter-Dioskuren zu unterstreichen.« (Knut Brehm:
»Das Goethe-Denkmal in Berlin.« In: Fritz Schaper. Die Wiederentdeckung des
Denkmals, a. a. O. [s. im Vorigen], S. 40)
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