Page 101 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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verdiente  ich  mir  durch  meine  Aufmerksamkeit  für  den  biedern
                        deutschen Altvater, und diesen durch die aufrichtige Neigung und
                        Ergebenheit gegen die vorzüglichen Männer die ich kennen lernte.

                        Dem Grafen von Kielmannsegg bin ich bei diesem Aufenthalt vielen
                        Dank  schuldig  geworden.  Er  war  der  ernsteste  von  allen,  höchst
                        tüchtig und zuverlässig. Von Goué, ein schwer zu entziffernder und
                        zu  beschreibender  Mann,  eine  derbe,  breite,  hannövrische  Figur,
                        still in sich gekehrt. Es fehlte ihm nicht an Talenten mancher Art.

                        Man hegte von ihm die Vermuthung, daß er ein natürlicher Sohn
                        sei;  auch  liebte  er  ein  gewisses  geheimnißvolles  Wesen,  und
                        verbarg  seine  eigensten  Wünsche  und  Vorsätze  unter  mancherlei

                        Seltsamkeiten, wie er denn die eigentliche Seele des wunderlichen
                        Ritterbundes  war,  ohne  daß  er  nach  der  Stelle  des  Heermeisters
                        gestrebt hätte. Vielmehr ließ er, da gerade zu der Zeit dieß Haupt
                        der Ritterschaft abging, einen andern wählen und übte durch diesen
                        seinen  Einfluß.  So  wußte  er  auch  manche  kleine  Zufälligkeiten

                        dahin zu lenken, daß sie bedeutend erschienen und in fabelhaften
                        Formen  durchgeführt  werden  konnten.  Bei  diesem  allen  aber
                        konnte  man  keinen  ernsten  Zweck  bemerken;  es  war  ihm  bloß  zu

                        thun,  die  Langeweile,  die  er  und  seine  Collegen  bei  dem  verzö-
                        gerten  Geschäft  empfinden  mußten,  zu  erheitern,  und  den  leeren
                        Raum, wäre es auch nur mit Spinnegewebe, auszufüllen. Übrigens
                        wurde dieses fabelhafte Fratzenspiel mit äußerlichem großen Ernst
                        betrieben, ohne daß jemand lächerlich finden durfte, wenn eine ge-

                        wisse Mühle als Schloß, der Müller als Burgherr behandelt wurde,
                        wenn  man  die  vier  Haimonskinder  für  ein  canonisches  Buch  er-
                        klärte und Abschnitte daraus, bei Ceremonien, mit Ehrfurcht vor-

                        las.  Der  Ritterschlag  selbst  geschah  mit  hergebrachten,  von
                        mehreren  Ritterorden  entlehnten Symbolen. Ein    Hauptanlaß  zum
                        Scherze war ferner der, daß man das Offenbare als ein Geheimniß
                        behandelte; man trieb die Sache öffentlich, und es sollte nicht da-
                        von gesprochen werden. Die Liste der sämmtlichen Ritter ward ge-

                        druckt, mit so viel Anstand als ein Reichstagskalender; und wenn
                        Familien darüber zu spotten und die ganze Sache für absurd und
                        lächerlich  zu  erklären  wagten,  so  ward,  zu  ihrer  Bestrafung,  so








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