Page 56 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Tode  Bassermanns  erließ  der  Kartellverband  deutschsprachiger
                        Bühnenangehöriger  aus  Deutschland,  Österreich  und  der  Schweiz
                        am  19.  November  1954  verbindliche  Richtlinien  für  die  künftige
                        Verleihung der Auszeichnung. Fortan sollte der Ring im »zweck-

                        gebundenen  Eigentum  der  Republik  Österreich«  verbleiben  und
                        vom  jeweiligen  Ringträger  nach  dessen  Vermächtnisentscheidung
                        wieder  an  die  Bundestheaterverwaltung  zurücküberstellt  werden.
                        Die Verleihung erfolgt durch den österreichischen Bundesminister
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                        für Unterricht.
                           Die  Ringhistorie  bietet  zudem  noch  eine  schwere  Irrung.  Die
                        Nichtvergabe  durch  Bassermann  riss  eine  Lücke  in  die  Kette  der
                        Preisträger. Um diese zu schließen, ergriffen die stellvertretend mit

                        der  Vergabe  betrauten  österreichischen  Theaterfunktionäre  Mitte
                        der 1950er Jahre gleich mehrfach die Initiative, um den in der Zeit
                        des  Nationalsozialismus  schwer  belasteten  Schauspieler  Werner
                        Johannes  Krauß  (1884-1959)  auszuzeichnen.  Nach  weiteren

                        Verwicklungen  ‒  erschütternder  Weise  nicht  durch  moralische
                        Skrupel  oder  politische  Einwände,  sondern  durch  Zuständig-
                        keitsgerangel  motiviert  ‒  erhielt  am  28. November  1954  mit  dem
                        bekennenden Antisemiten Werner Krauß einer der hochkarätigsten

                        Vorzeige-Schauspieler des NS-Regimes die hohe Auszeichnung im
                        Geiste Ifflands!


                                     Goethe berühmt ‒ und Iffland vergessen?


                        Betrachtet man den jeweiligen ›Erfolg‹, mit dem sich Goethe und

                        Iffland in das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben haben, so ergibt
                        sich  ein  gegensätzliches  Bild.  Johann  Wolfgang  Goethe  kann  als
                        Autor angesehen werden, der einen, wenn nicht den Spitzenrang im

                        Kanon  der  deutschen  Literatur  innehält.  Die  Globalisierung  der



                           Österreichischen Bundestheaterverwaltung, Egon Hilbert, von Bassermann
                           ermächtigt  worden  sein,  über  die  Weitergabe  des  Rings  zu  verfügen.
                           Bassermann  verstarb  am  15.  Mai  1952;  Hilbert  dokumentierte  seine
                           Bevollmächtigung am 3. Februar 1954.
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                           Die Satzung findet sich sinngemäß dokumentiert bei Reimann 1962, S. 21f.





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