Page 54 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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haben soll. Ganz im Sinne der berühmten Ringparabel aus Lessings
                        Nathan und im Einklang mit den romantischen Vorstellungen jener
                        Epoche  sollen  die  jeweiligen  Ringempfänger  nichts  voneinander
                        gewusst und die Stücke als einzigartiges Zeichen der künstlerischen

                        Auszeichnung empfunden haben.
                           Erster  Träger  war  dieser  Version  der  Legende nach  der  bereits
                        genannte  Ludwig  Devrient,  den  der  ältere  Iffland  unter  den
                        Schauspielern der jüngeren Generation über alle Maßen geschätzt

                        und  dem  er  den  Ring  noch  im  Jahr  seines  Todes  1814  vermacht
                        haben soll. Dieser Teil der Ringgeschichte beruht jedoch lediglich
                        auf mündlicher Überlieferung sowie indirekten Zeugnissen. Durch
                        direkte schriftliche Überlieferung historisch belegt ist lediglich die

                        Tatsache,  dass  1911  ‒  also  erst  fast  ein  Jahrhundert  später  ‒  im
                        Nachlass  des  beliebten  Berliner  Mode-Schauspielers  Friedrich
                        Ludwig Heinrich Haase (1825-1911) ein diamantbesetzer Ring mit
                        einem  geschnittenen  Porträt  von  Iffland  aufgefunden  wurde.  Ein

                        eigenhändiges Notat von F. Haase auf der Bodenseite des violetten
                        Futterals,  in  dem  der  Ring  weitergegeben  wurde,  verknüpft  den
                        erwiesenermaßen  realen  mit  dem  möglicherweise  legendären  Teil
                        der  Verleihungsgeschichte  des  Rings:  Der  Schauspieler  mit  dem

                        Künstlernamen  Theodor  Döring  (eigentlich  Johann  Friedrich
                        Wilhelm Theodor Hering, 1803-1878) habe den Ring ihm, Haase,
                        verehrt (real); und dabei handle es sich exakt um jenen Ring, mit
                        dem Iffland einst L. Devrient ausgezeichnet habe (legendär). Dieser

                        handgeschriebene,  nachweislich  von  Haase  stammende  Zettel  gilt
                                                                                68
                        als eigentliche »Gründungsurkunde« der Insignie.

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                           »Gleich die Gründungsurkunde enthält [...] Irrtümer. Auf einen Zettel, der
                           an  der  Unterseite  des  Etuis  befestigt  ist,  in  dem  sich  der  Ring  befindet,
                           schrieb  Haase  eigenhändig:  ›Insignie  ‒  von  Theodor  Döring  an  Friedrich
                           Haase ein Ring mit Ifflands Bildnis, den derselbe Ludwig Devrient in Berlin
                           übergab. [...]‹ In seinem Brief an [Albert] Bassermann teilte Haase mit, daß
                           Iffland bei seinem letzten Gastspiel in Breslau den Ring Ludwig Devrient
                           übergeben habe. Diese Darstellung scheint der Wahrheit näher, da Devrient
                           erst  1815  von  Breslau  an  das  Berliner  Nationaltheater  kam.  Iffland  aber
                           starb schon im Dezember 1814.« (Viktor Reimann: [Kapitel] »Die Legende
                           des  Ringes«.  In:  ders.:  Der  Iffland-Ring.  Legende  und  Geschichte  eines
                           Künstleridols.  Mit  zeitgenössischen Bildern,  Dokumenten und Faksimiles.






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