Page 103 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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lin, Ingeborg Bachmann oder Sigmund Freud). Es folgen (2b) Kultur- und
               Bildungs einrichtungen wie Museen, Forschungszentren oder Stiftungen, die
               nach einem Autor, Schriftsteller oder Dichter benannt sind, darunter an erster
               Stelle z. B. die weltweit tätigen Goethe-Institute als Säule der auswärtigen
               Kulturpolitik. Weitere Beispiele für (2c) bilden Kampagnen, Initiativen oder
               Feiern, die die Erinnerung an große Dichter und Vordenker im kulturellen
               Gedächtnis wachhalten und sie als kanonische Vorbilder öffentlich zelebrie-
               ren. Dazu zählt beispielsweise die Veranstaltung nationaler Jubiläums jahre
               zu Ehren einzelner zumeist historischer Vertreter aus Kultur, Literatur oder
               Wissenschaft (Goethe-Jahr, Schiller-Jahr; Darwin-Jahr). Hierzu gehören auch
               Initiativen zur Errichtung von Dichterdenkmälern oder zur Ehrenbenennung
               von öffentlichen Einrichtungen wie Akade mien, Schulen und Universitäten
               oder urbanen Orten wie Straßen und Plätzen.



                                      Klassisch (classicus)


                  Die Bezeichnung eines vorbildlichen literarischen Autors als »classicus
               scrīptor« prägte der römische Autor und Richter Aulus Gellius im  2. Jahr-
               hundert n. Chr. In einem Lesebuch bunt zusammengestellten Bildungswis-
               sens mit dem schönen Titel Attische Nächte (um 170 n. Chr.) lässt Gellius
               den Literaturpapst jener Zeit, Marcus Cornelius Fronto, zwischen einem
               wohlhabenden Schriftsteller mit hoher ›(Steuer-)Klasse‹ und einem weniger
               solventen Proletarier unterscheiden (Noctes Atticae XIX 8, 15). Bei solchen
               ›Klassikern‹ solle sich der Bildungsbeflissene im Hinblick auf sprachliche
               Spitzfindigkeiten Aufschluss und Beispiel suchen, so Fronto, kaiserlicher

               Erzieher und berühmtester Rhetor seiner Zeit. Allerdings ironisiert Gellius die
               Bezeichnung classicus ausdrücklich. Dabei geht es zunächst um ein Streitge-
               spräch über den lateinischen Pluralwortgebrauch (am Beispiel von lat. harena,
               Sandmasse/n, nie im Plural, versus lat. quadrigae, Vierergespann, immer im
               Plural). Von den Streithähnen als höchste Autorität in allen Literatur- und
               Sprachangelegenheiten geachtet, schlichtet Cornelius Fronto nach Gellius
               mit den folgenden Worten (8. Kapitel des 19. Buchs, §§ 14f.):

                  »[14] inquam, ista omnia et enucleari et extundi ab hominibus negotiosis in ciuitate
                  tam occupata non queunt. Quin his quoque ipsis, quae iam dixi, demoratos uos
                  esse uideo alicui, opinor, negotio destinatos. [15] Ite ergo nunc et, quando forte




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