Page 144 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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die mustergültigen Klassiker am Himmelszeit der kollektiven Überlieferung,
               wo sie überzeitliche Bedeutung erlangt haben. Das Firmament mit seinen
               Sternbildern gleicht einem Pantheon der menschlichen Kulturgeschichte und
               spiegelt einen universellen Kanon.

                  Astronomisch betrachtet sind die Plejaden ein offener Sternhaufen im
               Tier kreis-Sternbild des Stier mit sieben am nördlichen Nachthimmel mit
               bloßem Auge erkennbaren Sternen (NGC 1432/35; Messier-Katalog: M 45).
               Die See fahrer und Bauern der Antike verbanden mit dem Aufgang der Pleja-
               den am Sternhimmel überwiegend frohe Erwartungen. Der genaue Ursprung
               der Siebener-Topik gibt Orientalisten und Philologen allerdings bis heute
               Rätsel auf. Gerne wird auf das siebenstufige Schöpfungsgeschehen der judäo-
               christlichen Tradition verwiesen, die sogenannte Schöpfungshieroglyphe.
               Aber auch topische Konstanten, wie die allgegenwärtige Siebenzahl in der
               Nomenklatur von Astrologie und Astronomie, kommen für eine Erklärung
               in Frage. Man denke beispielsweise an frz. le septendrion für ›Norden‹ oder
               ›Nordrichtung‹ unter Anspielung auf die sieben Rinder des Bärenhüters Boötes
               bzw. die Himmelskörper des gleichnamigen Sternbildes (→Kanontopik).




                                    ›Spitzenreiter-Phänomen‹

                  Die Auswertung von Statistiken der Standesämter in Deutschland, die
               die Gesell schaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden seit 1977 syste-
               matisch betreibt, dokumentiert einen Trend, den der damit befasste Sprach-
               wissenschaftler Gerhard Müller als sogenanntes Spitzenreiter-Phänomen
               charakterisiert hat (Gerhard Müller: »Die beliebtesten Vornamen des Jahres
               2006« In: Der Sprachdienst 2/2007, S. 53-61; s. auch im Anhang unter
               ›Internet-Ressourcen‹). Die Namensvergabe bei Kleinkindern einer bestimmten
               Generation folgt demgemäß bestimmten Mustern der kollektiven Präferenz-
               entwicklung. Dabei tritt die Namenswahl von Eltern in Wechselwirkung
               mit der Namensentscheidung in anderen Familien ihrer unmittelbaren Zeit-
               genossenschaft. So waren die Namen Sophie/Sofie und Maximilian im Jahre
               2008 Spitzenreiter. Daraufhin erlebten Anton, Mia und Noah einen Aufstieg
               auf der Beliebtheitsskala des Jahres 2009. Nach Aussagen der Sprachforscher
               der GfdS ist das heutige Kriterium, nach dem Eltern passende Namen für
               ihre Kinder suchen, vor allem der Aspekt der »Modernität«. Das heißt: Der



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