Page 148 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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Berliner Spätaufklärung um Friedrich Nicolai in den Sinn als die Verdienste
               von Friedrich I. (eigentlich: der Dritte; 1657-1713). Der Großvater Friedrichs
               des Großen, seit 1688 Kurfürst und seit 1701 gekrönter König von Preußen,
               war immerhin hochherrschaftlicher Begründer der »Churfürstlich Branden-
               burgischen Societät der Wissenschaften«, also der Akademie von Gottfried
               Wilhelm Leibniz (1646-1716), die später als Preußische Akademie der Wissen-
               schaften Weltruhm erlangen sollte.


                  Aufstrebende Städte wurden seit dem 18. Jahrhundert gerne im Hinblick
               auf ihr geografisches Charakteristikum (Fluss oder Strom) mit ehrenden Bei-
               namen bedacht. Für die antikeverliebte Goethezeit lag dabei der Vergleich mit
               den Metropolen der antiken Welt auf der Hand (z. B. »Rom des Nordens« für
               Köln oder Trier). Eine verwandte Vergleichsfigur bildeten personenbezogene
               Ausdrücke, wie etwa die Herder zugeschriebene Bezeichnung für Friedrich
               Schlegel als »Winckelmann der griechischen Poesie« (abzielend auf dessen
               aufsehenerregendes Gespräch über das Studium der griechischen Poesie,
               1797). Athen als Geburts stadt der attischen Polis unter Perikles und Ort des
               Wirkens von Welt philosophen wie Sokrates, Platon oder Aristoteles und
               klassischer Tragödien dichter wie Sophokles, Euripides und Aischylos galt
               als überzeitliche Haupt stadt der humanistischen Bildung überhaupt. Selte-
               ner akzentuierte, wenngleich ebenfalls konnotierte Bedeutungsnuancen der
               ›Hauptstadt‹ der klassischen Antike schlechthin sind Vergleichsaspekte wie
               ›Ort einer Akropolis‹ oder ›Stadt mit bedeutender klassischer Architektur‹ (vgl.
               Richard Deiss: Elbflorenz und Sprayathen. 555 Städtebeinamen und Stadtkli-
               schees von Blechbuden hausen bis Schlicktown. 2. Aufl., Norderstedt 2009,

               S. 29f., hier S. 30). Aber schon die heute vergessenen Parallelbildungen aus
               der Burschensprache des späten 18. Jahrhunderts dokumentieren, wie der
               Vergleich bereits in jener Zeit ins Ironische kippte und zugleich zu einer Art
               Spitzname wurde. »Saalathen« nannten die Studenten die Universitäten von
               Halle und Jena − »Pleißathen« stand für Leipzig (als akademische Institution).
               Nachweisbar sind auch das ebenfalls burschikose »Leinathen« für Göttingen
               oder »Elbathen« für Witten berg (vgl. Geflügelte Worte. Der klassische Zita-
               tenschatz, gesammelt und erläutert von Georg Büchmann. Neu bearbeitet
               und aktualisiert von Winfried Hofmann, 43. Aufl., München 2001, S. 99f.).
               In neuerer Zeit lebten affirmative Untertöne wieder auf in Verbindungen wie
               →Ilm-Athen für Weimar oder →Isar-Athen für München.





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