Page 157 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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Weltkulturerbe
Das Wort bezeichnet die Summe aller Kulturgüter der Menschheit, die der
Bewahrung und Überlieferung in ganz besonderer Weise wert erachtet werden.
Der Begriff steht in enger Verbindung des von der United Nations Educatio-
nal, Scientific and Cultural Organization (unEsco) initiierten gleich namigen
Programms (›Memory of the World‹). Das Projekt einer weltweit gültigen
und exklusiven Liste von Weltkulturgütern soll in erster Linie die materielle
Er haltung von Landschaften, Baudenkmälern, Monumenten, Artefakten und
Doku menten garantieren. ›Materiell‹ ist dieser Akt der Kanonisierung inso-
fern, als sich der Titel ›Kulturerbe der Menschheit‹ stets auf die physische
Manifestation eines Kulturgutes bezieht. Sanssouci als En semble von Parks
und Gebäuden; das Elbtal als Stadtlandschaft; die Leibnizschen Briefe als
genau beziffertes Korpus von Autografen u. a. m. Eine Sonderform bildet der
erst jüngst kanonisierte Tango Argentino als materiell kaum greifbare Form
künstlerischer Bewegung.
Materiell ist die Erhebung in den Rang eines Weltkulturerbes auch insoweit,
als die Verleihung des Welterbetitels immer auch eine ökonomisch messbare
Aufwertung und damit finanziellen Gewinn verspricht. Man denke nur an die
touristische Mehrwertschöpfung der Städte und Regionen, die ein Weltkultur-
erbe beherbergen. Kraft Erbetitel kann der materielle Wert eines Kulturgutes
ins Unschätzbare steigen, manifest z. B. im gestiegenen Versicherungs wert
einer Dichterhandschrift. So gelten die Kasseler Handexemplare der Grimm-
schen Kinder- und Hausmärchen mit den handschriftlichen Notizen ihrer
Herausgeber als weltweit bedeutendstes Vermächtnis der Märchenforschung
mit einem geschätzten Wert von 15 Millionen Euro. Im Jahr 2005 wurden
die kostbaren Bände von der unEsco als Weltdokumentenerbe anerkannt.
Weltliteratur
In der neueren deutschen Literaturgeschichte gilt Christoph Martin Wieland
als Schöpfer des Wortes. In einer handschriftlichen Korrektur zu einer Widmung
seiner Übersetzung der Briefe des Horaz spricht Wieland von »Weltkennt-
niß und Weltliteratur« und meint damit ›Literatur‹ bzw. ›Literarische Her-
vorbringung‹ eines ›Weltmannes‹, hier wiedergegeben nach: H.-J. Weitz:
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