Page 65 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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Achtungserfolgen bleibt das Werk nur ein literarischer Geheimtipp.« (GBS)
               − »Überhaupt blieb Patrick Roth in diesen Jahren ein literarischer Geheimtipp
               für wenige Kenner.« (GBS) Eine kanonische Breitenwirkung bleibt Werken
               und Autoren in diesen Beispielen vorerst verwehrt.

                  Alle Verwendungen des ›Geheimtipps‹ charakterisiert vor allem ein Paradox:
               In dem Moment, da ein Geheimtipp zum allgemeinen Erfolg wird, verliert er
               seinen eigentlichen Wert. Was jeder kennt, ist kein Geheimtipp mehr. Neben
               dem Buchmarkt wird das Wort im Übrigen gerne von Marketingprofis und
               Werbestrategen in der Reisebranche verwendet. Möglicherweise verdankt das
               Wort seine heutige Bedeutung und Verwendung sogar der Hochkunjunktur
               des modernen Tourismus im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts mit seiner
               überaus schnelllebigen Massenliteratur an gedruckten Reiseführern.



                                     Germanist, Germanistik


                  Das Wort ›Germanistik‹ leitet sich ab von der Bezeichnung für seine
               Vertreter, die zunächst ausschließlich Männer waren: der ›Germanist‹, die
               ›(männlichen) Germanisten‹. Der Wortstamm entspringt aus lat. germanus −
               zu nächst nur im Plural germani verwendet − als Bezeichnung der Römer für

               die Volks stämme nördlich der Alpen. Der Rechtsgelehrte und Sprachforscher
               Jacob Grimm (1785-1863), älterer der beiden berühmten Brüder, sprach von
               Germanisten und meinte damit die »Kenner und Lehrer des germanischen
               Rechts« (1828; Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl., 1992, S. 339).

               Im erweiterten Sinne von »Forscher des Rechts, der Geschichte und Sprache«
               (ebd.), erscheint das Wort erstmals in Jacob Grimms Verhandlungen der Ger-
               manisten zu Frankfurt/Main (1847). Dabei handelte es sich um die Sitzungs-
               berichte der ersten Germanistenversammlung der Welt im Jahr zuvor, 1846.
               Der Ausruf »wir armen Germanisten« mit Bezug auf Personen, die sich primär
               für »deutsche Sprache, Literatur- und Kulturgeschichte« beschäftigen, wird
               Gustav Freytag zugeschrieben (1840; H. Paul a. a. O., ebd.). Die Germanistik
               ist dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als »Wissenschaft von
               den germanischen Sprachen und Literaturen« (ebd.) nach weisbar. Die dis-
               ziplinäre Bedeutung im Sinne von ›deutsche Philologie‹ existiert allerdings
               erst seit der Einrichtung als Universitätsfach am Ende des 19. Jahrhunderts.
               Als erste Inhaber ›ordentlicher‹ Lehrstühle für Neu germanistik gelten der



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