Page 74 - Robert Charlier: Google statt Goethe?
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als überflüssig, weil die angloamerikanisch dominierten Rechtsauffassungen
mit Blick auf das Urheberrecht ungleich liberaler sind als die deutschen.
»Herstellung«
Der Arbeitsbegriff der Herstellung von Kanons als Resultat des intentionalen
Aktes eines Einzelnen oder einer Gruppe von ›Machern‹ - im Unterschied zur
Vorstellung einer bloß zufälligen (›kontingenten‹) Entstehung oder Gewor-
denheit - bildete den Ausgangspunkt der Potsdamer Tagung Kanonbildung
im Zeitalter der Globalisierung – Protagonisten und Prozesse der Herstellung
von Klassizität in Literatur und Geschichtsschreibung. Die Konferenz fand
im Frühjahr 2007 statt und wurde von der Gerda Henkel Stiftung gefördert
(→Klassikermacher).
Ideometrie
Der Begriff setzt sich zusammen aus ›Idee‹ (lat. idea) und ›Metrik‹. Das
Wort Metrik kommt aus dem lat. ars metrica, das wiederum abgeleitet ist
aus alt griech. metriké téchné zu tò métron für ›Maß‹, ›Versmaß‹. Als moder-
ner wissenschaft licher Terminus (ideometry; ideometria) geht der Begriff
auf den in Oxford lehrenden italienischen Informationstheoretiker Luciano
Floridi (Jahr gang 1964) zurück. In seiner wegweisenden Publikation Inter-
net – An Epistemological Essay beschrieb Floridi bereits im Jahr 1997 die
computer gestützte statistische Auswertung von Texten nach Schlagwörtern
und Begriffen im Maßstab eines weltweiten Wissensnetzes, das sich schon
zu diesem Zeitpunkt als weltumspannend abzeichnete. Floridis Entwurf einer
uni versalen Vermessung der menschlichen Textproduktion nach Maßgabe der
darin zutage tretenden Ideen aller Länder und Zeiten mag überambitioniert
erscheinen. Aus heutiger Sicht bildet der Begriff jedoch einen Vorläufer oder
sogar eine Vorwegnahme der in mehrfacher Hinsicht ›hybriden‹ Begriffs-
bildung →»Culturomics«.
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