Page 117 - Robert Charlier: Heros und Messias (1999)
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Der Topos vom „Erstgeborenen 115
1. schöpferische Ebene: 2. demiurgische Ebene: 3. Ebene der Geschöpfe:
Gott Plan, Vernunft, Hilfskräfte Wesen, Pflanzen, Elemente
„Urbild“ „Abbild“ Bild vom Bild („Ebenbild“)
In diesem demiurgischen Zwischenbereich ist also dem phiionischen Denken ge
mäß die schöpferische Hilfsinstanz angesiedelt, aus der auch der Messias
entspringt. Diesen Zusammenhang zwischen Mittlerinstanz und präexistentem
Logos, „Werkmeister“ und „Weisheit“, verdeutlichte bereits das achte der
„Spriichwörter Salomos“, das Hölderlin in seiner Magisterarbeit behandelte.'11
Diese doppelte Bestimmung von Geist- und Erlöserinstanz, von sprachlicher
und messianischer Hypostase, verdichtet sich auch im Wort „Schöpfung“ in der
‘Hymne’: In Vers 7 schwebt der Geist Griechenlands herab, wobei er seine eigene
(Erst)Schöpfung (im Sinne der Genesis) verbindet mit der Verheißung, zu „neuen,
„heiligen Schöpfungen“, also zu Erlösung und Heilung der Welt (im Sinne der
Propheten) zu führen.
Zwar gibt es auch in der Pneumatik von Johannes und Paulus eine Nähe zur
jüdischen Weisheitslehre und ihrem Präexistenzdenken. So spricht z. B. Paulus
wie Philo von Jesus als „Erstling“ oder „Erstem und Letztem von Schöpfung und
Erlösung (vgl. bereits zitierte Belege). Aber Paulus und Johannes begründen mit
ihrem Logos die Aufspaltung des Messias Jesus Christus in einen „irdischen“ und
einen „himmlischen Leib“ und damit den reinen Geistmessias.
Der phiionische Logos dagegen bleibt der jüdischen Ruach zutiefst verhaftet.
Als vortrinitarischer Logos hat er sich die heroische und körperliche, die inner
weltlich geschichtliche Facette des Messias erhalten:
Bei aller Geistigkeit, die in der phiionischen Vorstellung vom Messias enthalten ist, -
[...] bleibt immer noch eine politische und irdische Seite (Krieg und Eroberung, Herr
scher und Untertanen), ja sogar Macht, Angst und Körperkraft. Dies ist eine durchaus
jüdische (ich möchte sagen: judaistische), nicht aber eine rein stoische und gewiß eine
unchristliche Auffassung [...]. (Klausner 1950: 196)'12 1 1 1 2 1 1
111 „Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbe
ginn her. [A]ls er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, daß sie nicht
überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte, da war ich als sein Lieb
ling [= „Werckmeister“ bei Luther, R. C.] bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte
vor ihm allezeit.“ (Spr 8, 22 und 29-31)
112 Gemeinsam ist allen Facetten des jüdischen Messias seine körperlich diesseitige Gestalt,
sein Vermögen, geschichtlich und politisch einzugreifen, wie Philo herausstellt: „Es gibt
eine Prophezeiung, daß ein Mensch erstehen wird, der in die Schlachtreihe tritt, kämpft
und große, volkreiche Nationen besiegt, da Gott selbst seine Hilfe den Heiligen sendet; sie
wird in furchtlosem Mut der Seelen und unbesiegbarer Kraft der Körper bestehen [...].“ (De