Page 19 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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der preußischen Siegesfeiern im Sommer 1814 uraufgeführt wurde,
                        lassen  sich  durch  den  Nachlassfund  vermutlich  kaum  beant-
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                        worten.  Denn diese Entscheidung fiel bereits unter die Ägide von
                        Karl  Friedrich  Moritz  Paul  Graf  von  Brühl,  der  1815  zu  Ifflands

                        Nachfolger  berufen wurde.  Die  Pflege  der  Akten- und  Dokumen-
                        tenfaszikel  wurde  zwar  unter  der  Leitung  Graf  Karl  Brühls  fort-
                        gesetzt.  Die  entsprechenden  Bände  sind  nach  dem  Zweiten  Welt-
                        krieg jedoch offenbar nicht in den Besitz Hugo Fettings gelangt und

                        daher auch nicht Teil des Nachlasses, der sich seit Ende März 2014
                        im Bestand des Landesarchivs Berlin befindet. Die herausragende
                        Bedeutung des Ifflandschen Korrespondenzarchivs für die Kultur-
                        geschichte  der  Goethezeit  sowie  die  Berliner  Theater-  und  Stadt-

                        geschichte bleibt davon jedoch unberührt.




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                           Des Epimenides Erwachen. Festspiel in zwei Aufzügen. Auf Anregung Iff-
                           lands schuf der fast 65-jährige Goethe das Stück im Kern innerhalb weniger
                           Wochen  im  Zeitraum  zwischen  dem  17./18.  Mai  und  15.  Juni  1814.  Ur-
                           sprünglich war es als Festspiel zur (Aufführung am) Jahrestag der Völker-
                           schlacht bei Leipzig im Oktober 1813 gedacht. Die Fertigstellung sollte bis
                           zum  21.  Juli  1814  erfolgen,  dem  Tag  der  geplanten  Rückkehr  Friedrich
                           Wilhelms III. nach Berlin. Die Bearbeitung zur Vertonung durch den Kom-
                           ponisten  Bernhard  Wilhelm  Anselm  Weber  (1766-1824)  war  aber  bis  zu
                           diesem Datum nicht zu schaffen (vgl. zum Hintergrund: Bodo Plachta und
                           Karim  Hassan  im  Supplement  zum  Goethe-Handbuch,  Plachta/Hassan
                           2008). Als Herausgeber annotierte Konrad Levezow im Vorwort zur ersten
                           Druckausgabe,  Berlin  (bei  Duncker  und  Humblot)  1815,  S.  I:  »Bei  Gele-
                           genheit der ersten Darstellung auf der Bühne des Königl.  Opernhauses in
                           Berlin  zur  Feier  des  30.  und  31.  März  [1815;  Ergänzung  durch  R. C.].«
                           Diese Anmerkung bezieht sich auf  das Datum der Feier (des Jahrestages)
                           der Einnahme von Paris, die am 30. März 1814 stattfand und auf die der
                           sog. Erste Pariser Frieden folgte, beschlossen am 30. Mai und ratifiziert am
                           31. Mai 1814. Die Kooperation mit Iffland und seinem Nachfolger Graf von
                           Brühl sowie die enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten Weber stellen
                           Goethes  letzten  bedeutenden  Versuch  dar,  nach  seinen  zumeist  fragment-
                           gebliebenen Weimarer Opernsprojekten im Bereich des Musiktheaters noch
                           einmal ein ›Gesamtkunstwerk‹ von nationaler Bedeutung zu schaffen. »Die
                           Gründe, warum Epimenides bei der Berliner Siegesfeier am 3. August 1814
                           nicht  zur  Aufführung  gelangte,  bleiben  trotz  ausführlicher  Schreiben  der
                           Königlichen  Theaterkommission  vom  21. Juli  1814  und  wenig  später  des
                           Komponisten an Goethe, im [D]unkeln.« (Plachta/Hassan 2008, S. 496)






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