Page 21 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
P. 21

fundes der Iffland-Korrespondenz besitzt das Müllersche Bändchen
                        jedoch eine besondere Brisanz, denn es dokumentiert im handlichen
                        Format  just  jene  Briefe  von  Goethe,  Schiller  und  Kleist  an  den
                        Theaterleiter Iffland, deren Originalhandschriften mutmaßlich einst

                        zum Bestand des Museums der Preußischen Staatstheater gehörten
                        und seit 1945 als verschollen gelten.
                           Die  kundig  kommentierte  Sammlung  bietet  vor  allem  kürzere
                        Briefreihen  in  unmittelbarer  zeitlicher  Abfolge,  die  man  auch  als

                        komprimierte  Teilbriefwechsel  lesen  kann.  Höhepunkt  und  be-
                        wegendstes  Textzeugnis  bildet  der  Kürzestbriefwechsel  zwischen
                        Iffland und Kleist. Der dargebotene Austausch besteht lediglich aus
                        Kleists ergreifend formuliertem Ausdruck seiner tiefen Verletzung

                        angesichts von Ifflands offenkundiger Ablehnung des Käthchen von
                        Heilbronn sowie  Ifflands  unmittelbar darauf  erfolgender  Antwort.
                        Unwillkürlich sucht Kleist nach vermeintlichen Gründen:


                           »Ew. Wohlgeboren haben mir [...] das auf dem Wiener Theater [...] zur
                           Aufführung  gebrachte  Stück,  das  Kätchen  von  Heilbronn,  mit  der
                           Äußerung zurückgeben lassen: es gefiele Ihnen nicht. Es tut mir leid, die
                           Wahrheit zu sagen, daß es ein Mädchen ist; wenn es ein Junge gewesen
                           wäre,  so  würde  es  Ew.  Wohlgeboren  wahrscheinlich  besser  gefallen
                                  18
                           haben.«
                        Postwendend  erfolgt  unter  dem  Datum  vom  13. August  eine
                        Richtigstellung  von  Ifflands  Hand.  Vehement  dementiert  Iffland

                        zunächst, dass er den Text des Stückes in der geschilderten despek-
                        tierlichen Weise habe zurückgehen lassen. Vielmehr stütze er sein
                        ablehnendes Urteil auf Erfahrungen mit den Wiener Aufführungen

                        des  Käthchen.  Auf  literaturgeschichtlich  wohl  fatal  zu  nennende


                           mann’s  Leben,  Thätigkeit  und  Bedeutung,  ein  kürzeres  Nachwort  über
                           künftige  Theatergeschichten,  endlich  eine  zweiseitige  Einleitung  zu  den
                           Briefen,  in  der  er  selbst  gesteht,  nichts  weiter  als  die  Sichtung  und
                           Anordnung  des  Briefwechsels  besorgt  zu  haben,  der  ihm  übrigens  nur  in
                           Abschriften vorlag. Die Anmerkungen im Text, die nichts anderes sind als
                           Verweise auf die Nummern des Briefwechsels, sind gleichfalls sein Werk.«
                           (Geiger  1903,  S.  715)  ‒  Insofern  setzt  der  C. Müller  das  kompilatorische
                           Verfahren des Herausgebers F. von Dingelstedt lediglich fort!
                        18
                           Zitiert nach C. Müller 1910, S. 143 (Brief Nr. 2)





                                                             19
   16   17   18   19   20   21   22   23   24   25   26