Page 25 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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eingenommenheit seines Urteils vermag Iffland einem Schlegel
oder Tieck glaubhaft zu machen. Als verantwortungsbewusster
Theaterdirektor wusste er genau, was ging und was eben nicht
machbar war. Vorgeschobene Gründe für die Ablehnung eines
Stückes bemüht Iffland lediglich in einem Fall, als er den pene-
tranten Einlassungen von Zacharias Werner eine deutliche Abfuhr
erteilt.
Zensurversuchen verweigert sich Iffland dabei in der Regel
ebenso wie dem Phänomen einer allzu willfährigen ›Schere im
Kopf‹. In ihrem Erfolgshunger bieten einige Debütanten bereits
Änderungen und Zurücknahmen an, bevor der Theatertext über-
haupt begutachtet ist. Dies ganz im Gegensatz zu seinem Nach-
folger Brühl, der selbst für Unbedenkliches wie Goethes Festspiel-
dichtung Epimenides kleingeistige Textänderungen einforderte.
Erkennbar eingetrübt wird Ifflands Urteil lediglich dort, wo
eindeutig die Interessen des Königs, der Königsfamilie oder die
Staatsräson seiner preußischen Gönner berührt erschienen. Da
kannte auch ein Iffland kein Pardon und war kompromisslos bereit,
eine vorwegnehmende Rücksichtnahme auf seine fürstlichen ›Vor-
gesetzten‹ zu praktizieren. In dieser Hinsicht blieb er sich als
beifallheischender und harmoniebedürftiger Bühnenmensch un-
bedingt treu.
Im Zusammenhang mit dem aktuellen Berliner Nachlassfund des
Jahres 2014 ist auffallend, dass sich in der Ausgabe von Müller nur
einer von insgesamt zwei Goethe-Briefen an Iffland befindet, deren
handschriftliche Originale zum Bestand des Berliner National-
theaters gehörten. Dabei handelt es sich um den Brief Goethes an
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Iffland vom 16. Dezember 1800. Die Handschrift zu diesem
Goethe-Brief zählte gemäß dem Weimarer Briefrepertorium zum
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Berliner Theaterbestand. Curt Müller beschränkte sich in seiner
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Vgl. C. Müller, 1910, Nr. 1, S. 80; der Brief befindet sich auch in der Weim.
Ausg., IV. Abt., Bd. 15, S. 160, allerdings unter Verweis auf einen anderen
Textzeugen bzw. eine abweichende Druckvorlage.
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Vgl. die Vollanzeige der Online-Version des Weimarer Briefrepertoriums
zu W[eimarer]A[usgabe]-Nr. 04331, wo sich die folgenden Drucknachweise
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