Page 33 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Leipzig, Straßburg, Wetzlar



                        Goethes  Studienzeit in der  quirligen  Universitätsstadt  Leipzig  be-
                        gann  im  Jahr  1765. Diese  Zeit  bereicherte  seine  Lebenserfahrung
                        auf  vielfältige  Weise.  Als  Student  beider  Rechte  galt  sein  heim-

                        liches Interesse natürlich vor allem den schönen Künsten und der
                        Literatur.  In  der  sinnenfreudigen  Universitäts-  und  ›Szene‹-Stadt
                        Leipzig konnte er dabei erneut seine Leidenschaft für das Theater
                        ausleben.  Rege  besuchte  er  das  »neuerbaute«  Leipziger  Schau-

                        spielhaus,  vor  allem  bespielt  von  der  Theatertruppe  des  Hofes  in
                        Dresden.  Das  Ensemble  bediente  beide  Städte,  es  bot  also  ›stän-
                        diges‹ und  ›mobiles‹  Theater  zugleich.  Seine  lebhaften  Eindrücke
                        und kritischen Einschätzungen hielt Goethe in einer seiner »biogra-

                        phischen  Einzelnheiten«  fest,  einer  kleinen  Schrift  mit  dem
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                        sprechenden  Titel  Leipziger  Theater  (1768).   Die  Leipziger  Auf-
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                        Barnhelm prägten sich dem jungen Studenten ein.

                           Neue Funken der Inspiration aber schlug die Begegnung mit den
                        Singspielen Johann Adam Hillers. Die Form des Singspiels beruhte
                        allein  auf  deutschsprachigen  Texten  mit  komischen,  auch  melo-

                        dramatischen Handlungen, zumeist in etwa der italienischen Opera
                        buffa entsprechend. Insofern fungierte das deutsche Singspiel auch
                        als  Medium  der  Übersetzung  für  die  Stoffe  der  komischen
                        französischen und italienischen Oper. Diese Vorform einer deutsch-
                        sprachigen Operette war also kein Produkt des höfischen, sondern

                        des öffentlichen Musiktheaters, das sich an der Theaterkasse tragen
                        musste!  Das  Singspiel  war  zudem  mit  einer  geringeren  Bühnen-
                        maschinerie  zu  realisieren  und  stellte  mit  dem  überschaubaren
                        Wechsel von Rezitativen und Arien  wesentlich geringere Ansprü-

                        che an eine Kompanie.
                           Mit  einem  weiblichen  Bühnenstar  des  Leipziger  Theaters,  der
                        Schauspielerin und Sängerin Corona Schröter, erlebte Goethe auch
                        erstmals  eine  veritable  Diva  jener  Zeit.  Ein  Musiktheatererlebnis

                        mit Folgen, denn um die Berufsschauspielerin mit passabler Opern-


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                           Dokumentiert im Kapitel »Selbstzeugnisse: J. W. G.«, Punkt 5.





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