Page 36 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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lich kann er seine Vorliebe für Literatur und Theater wieder ausle-
                        ben! Denn Gotter ist ein Seelenverwandter. Auch er ein ›Dichter-
                        jurist‹, eine Doppelbegabung, die  im Umfeld von Goethes  Frank-
                        furter Familie, aber auch in seinem Bekannten- und Freundeskreis
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                        mehrfach vorkam.  Als Student der Rechte hatte der drei Jahre äl-
                        tere Gotter in Göttingen schon früh eine eigene Schauspielgruppe
                        ins Leben gerufen, Für diese studentische ›Theater-AG‹ verfasste er
                        eigene Texte, sogar ein Singspiel ist von ihm bezeugt. Gotter war

                        zudem  erfolgreich  darin,  einen  dauerhaften  Ausgleich  zwischen
                        seiner  amtlichen  Tätigkeit  (als  Archivar  und  Gerichtsbeamter)
                        sowie seiner lebenslange Liebe für die Literatur und das Theater zu

                        finden.  Schon  1770  hatte  Gotter  den  Göttinger  Musenalmanach
                        mitbegründet. Zu Größen des deutschsprachigen Theaters unterhielt
                        er  enge  Beziehungen,  darunter  Iffland  und  Ekhof.  Selbst  rang-
                        höchste  Vertreter  wie  Karl  Theodor  von  Dalberg,  Reichsfreiherr,
                        Erzbischof und Staatsmann, zählten zu seinen späteren Förderern.




                                             Weimarer Liebhabertheater


                        Goethes  Mitwirkung  als  Schauspieler  beim  Weimarer  Liebhaber-
                        theaters bildete den vorläufigen Höhepunkt seiner kurzen ›aktiven
                        Bühnenkarriere‹, wenn man von so etwas überhaupt sprechen kann.

                        Schon  ein  Jahr  nach  seiner  Ankunft  in  Weimar  am  7.  November
                        1775  übernahm  er  am  1. Oktober  1776  die  Leitung  der  kleinen
                        Schar  von  Adeligen  und  Bürgerlichen,  die  sich  am  Hofe  Anna
                        Amalias leidenschaftlich für die Schauspielerei begeisterten, die im

                        Grunde nicht standesgemäß war. Dabei scheuten die Mitspieler der
                        Herzogin weder Zeit, Mühen noch gesellschaftliche Vorbehalte, um
                        ihre Theaterträume bei Darbietungen vor der Hofgesellschaft auszu-
                        leben.  Schon  unter  der  Übergangsregentschaft  von  Anna  Amalia

                        seit  dem  tragisch  frühen  Tod  ihres  Gemahls  Herzog  Ernst
                        August II. Constantin  stand  das  Theaterleben  am  Weimarer  Hofe


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                           Vgl.  grundlegend:  Eugen  Wohlhaupter:  Dichterjuristen,  hrsg.  von  Horst
                           Gerhard Seifert.  Bd.  I: Savigny  Brentano; Savigny  Arnim; Thibaut 
                           Schumann; Goethe; Grillparzer; Kleist. Tübingen 1953; insbes. S. 169-300.






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