Page 40 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Liebhabertheaters  selbst  übernahm.  So  erfolgte  bereits  im  Herbst
                        1776  die  Produktion  von  Goethes  eigenem  Dramolett  Die
                        Geschwister.  Goethe  spielte  darin  die  Figur  des  Bruders  (mit
                        Namen  Wilhelm),  und  Amalie  von  Kotzebue,  die  Tochter  des

                        großen  (späteren)  Goethe-Antipoden  August  Ferdinand  von
                        Kotzebue,  mimte  dessen  Schwester  Marianne!  Mit  einiger  Wahr-
                        scheinlichkeit  verarbeitete  Goethe  auch  Bezüge  zu  seiner
                        Beziehung zur Schwester Cornelia, die tragischerweise im darauf-

                        folgenden  Jahr  einen  so  frühen  Tod  sterben  sollte.  Auch  das
                        Verhältnis  zu  seinem  Freund  und  Schwager  Johann  Georg
                        Schlosser  (1739-1799),  der  die  junge  Cornelia  1773  geehelicht
                        hatte,  spielte  dabei  buchstäblich  eine  Rolle.  In  Goethes  kleinem

                        Lustspiel  Die  Mitschuldigen, erstmals  aufgeführt  im  Januar  1777,
                        figurierte  Goethe  als  Alceste.  Dies  geschah  im  Rahmen  eines
                        denkwürdigen  Zusammenspiels  mit  bedeutenden  Köpfen  des
                        Weimarer  Kulturlebens:  Der  Verleger  Friedrich  Justin  Bertuch

                        spielte die Rolle des Söller, den Wirt gab der Gymnasialprofessor
                        Johann  Carl  August  Musäus.  Als  Sammler  von  Kunstmärchen
                        bekannt, war Musäus von Anna Amalia bereits 1773 als Erzieher
                        der  Erbprinzen  nach  Weimar  berufen  worden.  Und  selbst  vor

                        komischen  Nebenrollen  und  veritablen  Knallchargen  scheute
                        Goethes Bühnenbegeisterung nicht zurück. So trat er in seiner Posse
                        Das  Jahrmarksfest  zu  Plundersweilern  (1781)  als  Marktschreier
                        auf.  Es  folgten  weitere  deftige  Rollen  aus  diesem  wohl  derbsten

                        aller Goetheschen Stücke (Haman, Mardochai). Auch im sonstigen
                        Repertoire ließ Goethe kaum eine Herausforderung aus. In Richard
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                        Cumberlands  Lustspiel  Der  Westindier  (1778)   spielte  Goethe
                        Belcour, einen schillernden Liebhaber und Sohn des Vaters Stock-

                        well, den der eigens aus Gotha engagierte Conrad Ekhof übernahm.
                        Welch eine Figur der Jungminister auf der Laienbühne machte, ist
                        überliefert,  wenngleich  wohl  nur  aus  zweiter  oder  dritter  Hand:
                        »Goethe habe stürmisch, habe leidenschaftlich und doch etwas steif

                        gespielt«  (Biedrzynski  1992a,  S. 271).  Die  Zusammenarbeit  mit

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                           Richard  Cumberland:  The  West  Indian,  London  1773;  Bearbeitung  von
                           Kotzebue, Leipzig 1815.






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