Page 43 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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wohnen. Unter den Eleven befand sich zu diesem Zeitpunkt der ge-
                        rade  20-jährige  Friedrich  Schiller.  Zu  einer  weitergehenden
                        Kontaktaufnahme kam es jedoch nicht. Zu jener Zeit konnte Goethe
                        noch nicht wissen, dass der Schüler Schiller bereits seit Längerem

                        an seinem späteren Erfolgsstück Die Räuber schrieb. So führte die
                        Reise ohne viel Aufhebens nach Mannheim mit seinem bekannten
                        ›Hof-  und  Nationaltheater‹.  Goethe  und  der  Herzog  wurden  von
                        Heribert  von  Dalberg  empfangen,  seines  Zeichens  Staatsminister

                        und Intendant des Mannheimer Nationaltheaters. Dabei kam es am
                        22. und 23. Dezember 1779 zu einem ersten Zusammentreffen zwi-
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                        schen Goethe und Iffland.  Beehrt wurden die Weimarer Gäste mit
                        einer  extra  anberaumten  öffentlichen  Aufführung  von  Goethes

                        Clavigo (1774), die an insgesamt sieben Abenden bei freiem Eintritt
                        gegeben wurde. Dabei gab der ebenfalls 20-jährige August Wilhelm
                        Iffland die Rolle des Carlos. Aber Goethe war von der Inszenierung
                        wenig  angetan    bei  allem  Eindruck,  den  dieses  Talent  auf  ihn

                        machte.  So bemängelte er  Ifflands  Sprechgeschwindigkeit  für  das
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                        Rollenfach  als  »zu  geschwind«.   Dieser  Unmut  lässt  sich  mög-


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                           Von  diesem  denkwürdigen  Ereignis  wird  Goethe  später  in  einer
                           unveröffentlichten  biographischen  Charaktristik  berichten  (vgl.,  Kapitel
                           »Selbstzeugnisse:  J. W. G.«,  Punkt  6,  ›Besuch  von  Iffland‹).  Allerdings
                           erinnert er die Begegnung fälschlicherweise als Station auf der Hinreise in
                           die Schweiz (statt auf der Rückreise). Zudem stellt er das Zusammentreffen
                           als einen ›Besuch‹ Ifflands bei ihm, Goethe dar; dabei war doch vielmehr er
                           in  Mannheim  bei  Iffland  zu  Besuch!  Damit  werden  die  tatsächlichen
                           Vorgänge  umgedeutet,  denn  im  Rückblick  war  es  doch  der  Besuch  der
                           Ifflandischen Theatervorstellung durch Goethe, von der alles Weitere seinen
                           Ausgang nahm. Hier bringt Goethe vermutlich seinen höheren Kanonrang
                           aus dem Nachhinein zur Geltung. Das standesbedindgte ›Vorstelligwerden‹
                           Ifflands  bei  Goethe  und  dem  Herzog,  das  natürlich  habituell  eine  Rolle
                           gespielt haben mag, rechtfertigt eine solche Umdeutung keinesfalls.
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                           Vgl. dazu die wegweisende (spätere) Einschätzung der typischen Bühnen-
                           sprechweise Ifflands durch Schiller »Wenn nur Hr. Iffland seine Worte nicht
                           so verschlänge und sich nicht im Deklamieren so überstürzte! Teutschland
                           wird in diesem jungen Mann noch einen Meister finden.« (›Anhang über die
                           Vorstellung  der  Räuber‹  am  15.1.1782;  zitiert  nach:  Schillers  Werke.
                           Nationalausgabe,  hrsg.  von  Julius  Petersen  u.  a.,  Bd.  22:  Vermischte
                           Schriften, Weimar 1958, S. 310).  Ferner der Kommentar zur Stelle: »Nach






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