Page 47 - Robert Charlier: Goethe und August Wilhelm Iffland (1779-1814)
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Goethes Urteil über Iffland
Goethes Bewunderung für den Schauspieler Iffland blieb wohl
zeitlebens mehr oder weniger ungebrochen. Dabei spielten Goethes
eigene Bühnenambitionen eine bislang sicherlich noch weitgehend
unterschätzte Rolle. Ein weiterer Fokus von Goethes Faszination
wird auf dem ›Phänomen Iffland‹ insgesamt gelegen haben, dem
Musterbild einer vollendeten Synthese zwischen erfolgreicher
praktischer Amtstätigkeit als Theaterleiter, Regisseur einerseits und
immenser künstlerischer Produktivität als Autor und Schauspieler
andererseits. Wie hoch Iffland postum in der Weimarer Wert-
schätzung rangierte, mag ein Beispiel veranschaulichen. Bereits ein
gutes halbes Jahr nach Ifflands Tod veranlasste Goethe eine
Gedenkfeier zum 10. Todestag Schillers. Das Ehrengedenken an
den großen Dichter wurde dabei mit einer Verbeugung vor dem
vielbewunderten Mimen verknüpft! So kam es am 10. Mai 1815 zur
Aufführung eines ›Nachspiels‹ zu Ifflands Komödie Die Hage-
stolzen (1800). Das Nachspiel war ein hinzugedichteter Epilog,
verfasst vom Weimarer Regierungsrat und Direktor des Ober-
konsistoriums Heinrich Carl Friedrich Peucer. Goethe hatte es
eigens für den Anlass bearbeitet, und der Text wurde zusammen mit
Schillers Epochenballade Das Lied von der Glocke (1799) auf-
geführt. Die Veranstaltung bezeugt, inwieweit ein Iffland aus Sicht
der zeitgenössischen Kanonbildung auf Augenhöhe mit einem
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Dioskuren der Weimarer Klassik wie Friedrich Schiller rangierte.
Mit seiner Hochschätzung Ifflands schloss sich Goethe einem
Meinungsbild an, das unter den Zeitgenossen beinahe einhellig war.
Julius Wahle überliefert die wenigen Einwände:
»Goethe scheint so sehr im Banne von Ifflands Kunst gestanden zu
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So schreibt Goethe an Schillers Ehefrau Charlotte, unter Bezugnahme auf
Ifflands zweites Gastspiel in Weimar im Frühjahr 1798: »Ich hoffe mich an
Ifflands Erscheinung für die Zeit die ich ihr aufopfern muß, reichlich zu ent-
schädigen. […] Ist es möglich so versäumen Sie mit Schillern Ifflands Spiel
nicht, es macht in unserm engen Verhältniß immer wieder Epoche.« (Weim.
Ausg., IV. Abt., Bd. 13, 1893, S. 116; Brief vom 14. April 1798)
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